F ür erfolgreiche Energiewende müssen alle bisherigen Konzepte auf den Prüfstand – Thesenpapier zur Energiepolitik
9 Thesen zur Energiepolitik von Björn Thümler Vorsitzender der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag Präambel Anlässlich der veränderten Rahmenbedingungen im Zusammenhang mit der Energiepolitik in Deutschland sind alle Akteure aufgefordert, ihre bisherigen energiepolitischen Ansätze zu überdenken. Um hierfür einen konstruktiven Beitrag zu leisten, veröffentlicht der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Niedersächsischen Landtag Björn Thümler MdL nachstehende Thesen. These 1: Erneuerbare Energie Deutschland hat sich für eine Energieversorgung basierend auf erneuerbaren Energien entschieden. Hierzu ist der Ausbau der regenerativen Energiequellen zu forcieren. Niedersachsen ist besonders von der Windkraft betroffen. Der Aufbau der Windparks in der Nordsee ist zu beschleunigen. Ebenso ist aber auch der Ersatz alter Windkraftanlagen durch neue (Repowering) voranzubringen. Hierzu müssen rechtliche Regelungen geschaffen sowie neue Umspannwerke und Schaltanlagen zur Verteilung der Lasten errichtet werden. Um den an der Küste erzeugten Strom in die Verbrauchszentren im Süden und Westen der Republik transportieren zu können, bedarf es eines schnellen Netzausbaus. Auch für dezentrale Energieversorgungen bedarf es einer Verdichtung der entsprechenden Netze. Andere Formen der regenerativen Energieerzeugung gilt es ebenso verstärkt in den Fokus zu rücken, wie die Solarenergie, die Biogasproduktion oder die Geothermie. In der Summe werden die Verbraucher durch den Ausbau der Erneuerbaren Energien erheblich belastet, so werden die Strompreise steigen. Die Investitionen in Milliardenhöhe müssen finanziert und in der Konse-quenz auf die Verbraucher umgelegt werden. Der Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland macht eine breite gesellschaftliche Zustimmung erforderlich. These 2: Kernenergie Die Kernenergie muss nach der Katastrophe in Japan neu bewertet werden. Die Beschlüsse der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidenten für ein dreimonatiges Abschalten der ältesten deutschen Kernkraftwerke sind richtig. In dieser Zeit müssen Pro und Contra der Kernenergie sorgfältig analysiert und ausgewertet werden. Bei dieser Debatte sind alle gesellschaftlichen Gruppen einzubeziehen. Bei den Beratungen zur Zukunft der Kernenergie ist auch die Frage der Endlagerung der Radioaktiven Abfälle zu berücksichtigen. Die Endlagerung ist eine elementare Frage von oberster Dringlichkeit. Um hier voranzukommen, ist die ergebnisoffene Erkundung des Salzstocks Gorleben abzu. Allerdings sind wissenschaftlich andere Gesteinsformationen, wie Granit, ebenso ergebnisoffen zu untersuchen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage der Rückholbarkeit zu klären. Unter den Staaten, die die Kernenergie nutzen, ist Deutschland mit seinem Beschluss, aus der Kernenergie auszusteigen, Vorreiter. Gleichwohl ist die Debatte um die Zukunft der Kernenergie international zu führen. Es ist keine Lösung, Strom aus Kernenergie von anderen Ländern zu beziehen. These 3: Versorgungssicherheit Für den Verbraucher muss nach wie vor sichergestellt sein, dass jede Form der Energieversorgung sicher, bezahlbar und nachhaltig ist. Um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten, ist ein leistungsfähiges, solides und modernes Stromnetz zwingend erforderlich. Uns ist der Wunsch nach preisgünstiger Energie ein Anliegen, trotzdem handeln wir mit Augenmaß. Niemandem ist damit gedient, alle konventionellen Kraftwerke willkürlich abzuschalten, ohne die Leistung gleichzeitig durch alternative Energieformen kompensieren zu können. Die beschlossene Umstellung auf eine nachhaltige regenerative Energieversorgung muss für jeden Bürger bezahlbar bleiben. These 4: Energiekompetenz Ein zukünftig unverminderter Ausstoß von Kohlendioxid und anderen klimarelevanten Spurengasen wird das Erdklima einschneidend verändern. Deshalb muss ein internationaler Konsens über die klimaschutzpolitischen Ziele erreicht werden. Um bei den Menschen das Verständnis hierfür zu steigern, sind die Politik und die Gesellschaft gefordert, auf eine verstärkte Aufklärung und Bildung im Bereich Energieverbrauch und deren Auswirkung auf den Klimawandel hinzuwirken. Für den Lernprozess, wie jeder einzelne in seinem Alltag Energie sparen kann, ist die Schärfung des Bewusstseins notwendig. Ob ökonomische Ansätze hierbei zielführend sein können, ist abzuwägen. These 5: Energieeffizienz Steigende Komfortansprüche, eine höhere Nachfrage nach Konsumgütern sowie die wachsende Mobilität in unserer Gesellschaft sorgen für einen steigenden Energiebedarf. Um diese Entwicklungen aufzufangen, benötigen wir ein Umdenken der privaten wie nichtprivaten Akteure in ihrem jeweiligen Verbrauchsverhalten. Wir brauchen eine Verbesserung der Energieeffizienz und der Energieeinsparung. Deshalb ist für uns das oberste Ziel, eine Verringerung des allgemeinen Energieverbrauches zu erreichen. Die günstigste und nachhaltigste Energie ist immer die, die gar nicht erst verbraucht wird. Besonders die energetische Sanierung von Gebäuden, eine Senkung des Kraftstoffverbrauchs sowie auch die Modernisierung des Kraftwerkparks bieten große Potenziale für eine Energieeinsparung. Die Politik und die Wirtschaft sind hier aufgefordert, die Motivation zur Einsparung bei allen Energieverbrauchern zu schaffen. These 6: Fossile Energieerzeuger Zum aktuellen Zeitpunkt bilden konventionelle Energieträger noch das Rückgrat der nationalen und internationalen Energieversorgung. Der Anteil und die Bedeutung der erneuerbaren Energien steigen. Diese werden auch die konventionellen Energieträger ablösen, sobald die Versorgungssicherheit entsprechend gewährleistet ist. Vor diesem Hintergrund und der Tatsache, dass die fossilen Ressourcen endlich sind, müssen die konventionellen Energiequellen bereits heute so effizient und umweltverträglich wie möglich eingesetzt werden. International wird nach einer Verstromung dieser Energieträger bei wesentlich verringerten CO These 7: Kleinstkraftwerke Neben der Stromerzeugung aus Großkraftwerken und der Nutzung erneuerbarer Energien gewinnt auch die Strom- und Wärmeerzeugung aus kleinen Anlagen, wie z. B. in Brennstoffzellen an Bedeutung. Zur optimalen Nutzung von Kleinstkraftwerken und einer weitgehenden Entkopplung von Wärme- und Stromproduktion ist die Speicherung der produzierten Wärme erforderlich. Diese Speichersysteme müssen weiterentwickelt und zur Marktreife geführt werden. Insbesondere für Gebäudebestände, die nicht auf Niedrigstenergieniveau gedämmt werden können, z. B. Altbauten, sind Kleinst-Kraft-Wärme-Kopplungs-Einheiten eine attraktive Energiequelle. Hierfür stehen bereits einige Technologien zur Verfügung. Ein Hoffnungsträger ist die Brennstoffzellentechnologie. These 8: Mobilität Nahezu 30% der insgesamt in Deutschland verbrauchten Energie werden heute im Straßenverkehr eingesetzt. Regenerative Energieträger werden bei der Mobilität zunächst in Form von Biokraftstoffen und langfristig auch von Strom und Wasserstoff eine zunehmende Rolle spielen. Vor allem in Ballungszentren werden konventionelle Antriebe auf der Basis von Erdgas oder Biokraftstoffen und innovative Lösungen, wie zum Beispiel neue Elektro- sowie Brennstoffzellenantriebe an Bedeutung gewinnen. Wenn herkömmliche Technologien wieter so angewendet werden wie bisher, steigen bei zunehmender Mobilität auch die CO These 9: Stromnetz Der Umbau der Energieversorgungssysteme in Deutschland erfordert eine gänzlich geänderte Betriebsführung des Stromnetzes. Hierzu sind neben elektronischen Messeinrichtungen, den so genannten Smart Metern, auch umfangreiche lnvestitionen in die intelligente Vernetzung alle Netzkomponenten zwischen Erzeuger und Verbraucher dringend erforderlich. Auf diese Weise ist eine Optimierung und Überwachung der miteinander verbundenen Bestandteile möglich. Ziel dieser so genannten Smart Grids ist die Sicherstellung der Energieversorgung auf Basis eines effizienten und zuverlässigen Systembetriebs. Fehlende technische Mindeststandards und eine noch ausstehende eindeutige Zuordnung der Netzbetreiber als diskriminierungsfreie und wettbewerbsneutrale Infrastrukturbetriebe behindern den flächendeckenden Ausbau von Smart Metern. Die bislang nur auf Bestandsbetrieb ausgerichtete Netzregulierung darf nicht dazu führen, dass effiziente Unternehmen die theoretisch zugestandenen Erträge in der Realität nicht erreichen können. Wir treten dafür ein, dass die lnvestitionsfähigkeit der Netzbetreiber gestärkt wird, ohne den Wettbewerb einzuschränken. Fazit: Die vorstehenden Thesen zeigen die Handlungsfelder und Herausforderungen für eine erfolgreiche Energiewende. Ziel ist es, alle gesellschaftlichen Gruppen soweit einzubinden, dass ein möglichst breiter Konsens entsteht.