Heidemarie Mundlos

Kindertagesbetreuung 2013 - 10-Punkte-Programm für ein bedarfsgerechtes Angebot

Bundesfamilienministerin Kristina Schröder stellte am vergangenen Freitag in Berlin den Dritten Zwischenbericht zur Evaluation des Kinderförderungsgesetzes
(KiföG) vor. Gegenstand des Berichts ist der Stand des Ausbaus für ein
bedarfsgerechtes Angebot an Kindertagesbetreuung für Kinder unter drei
Jahren. Im Zuge des Krippengipfels 2007 hatten sich Bund, Länder und
Kommunen verpflichtet, bis August 2013 bundesweit 750.000
Betreuungsplätze zu schaffen.
Ausbaustand

Die Zahlen des Zwischenberichts zeigen, dass am 1. März 2011 517.000
Kinder unter drei Jahren in Tageseinrichtungen oder in der Tagespflege
betreut wurden. Die Betreuungsquote liegt damit bei 25,4 Prozent (März
2007: 15,5 Prozent). Davon besuchen 21,5 Prozent der Kinder eine
Kindertageseinrichtung und 3,9 Prozent der Kinder sind in der
Kindertagespflege. Somit hat sich der Ausbau der Kindertagesbetreuung
seit 2006 in allen Bundesländern positiv entwickelt. Dabei gibt es große
Unterschiede in den Ländern. In Ostdeutschland sind die Zuwachsraten
wegen des traditionell höheren Ausbaustandes naturgemäß geringer als in
Westdeutschland.

Der Bedarf nach einer Kindertagesbetreuung steigt mit zunehmendem Alter
erheblich. Kinder unter einem Jahr werden fast alle zu Hause betreut.
Nur 2,6 Prozent der Einjährigen sind in der Tagesbetreuung. Kinder im
Alter von ein bis zwei Jahren werden zu 25,9 Prozent und Kinder im Alter
von zwei bis drei Jahren zu 47, 2 Prozent in Tageseinrichtungen oder in
der Tagespflege betreut. Die Betreuungsquote von Ein- und Zweijährigen
liegt also bei 36,7 Prozent.

Der Bund hat mit seinem Programm Kinderbetreuungsfinanzierung
2008-2013 die Investitionen in den Ausbau der Kinderbetreuung massiv
vorangetrieben. Von dem Sondervermögen in Höhe von 2,15 Milliarden Euro
wurden bundesweit durchschnittlich 86 Prozent, d. h. 1,85 Milliarden
Euro, bewilligt. Bis zum April 2012 sind aber erst 1,44 Milliarden Euro
abgerufen worden.

Betreuungsbedarf
Der Bedarf für eine Kinderbetreuung unter drei Jahren liegt in
Deutschland bei 39 Prozent. Dies haben bundesweite Befragungen der
Eltern ergeben. In Ostdeutschland liegt der Bedarf bei 50 Prozent und in
Westdeutschland bei 36 Prozent. Dabei wünschen sich die Eltern flexible
Angebote unter 25 Stunden.

Ausbaustrategien der Jugendämter
Bis August 2013 sollen nach den Ausbauplänen der Jugendämter für 39,6
Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze zur Verfügung
stehen. Dabei sehen die Jugendämter jedoch noch einige Ausbauhürden.
Neben dem Mangel an Fachkräften, geringen Verdienstmöglichkeiten, zu
geringer Mitfinanzierung durch die Länder und fehlender
Ausbaumöglichkeiten bestehender Kitas, besteht für die Zukunft eine
unsichere Nachfrage mit Blick auf den demografischen Wandel.
Mit dem heute von Bundesfamilienministerin Schröder vorgestellten
Zehn-Punkte-Programm soll der Ausbau der Kindertagesbetreuung für Kinder
unter drei Jahren beschleunigt werden.
"Kindertagesbetreuung 2013" - 10-Punkte-Programm für ein
bedarfsgerechtes Angebot

1. Festanstellung von Tagespflegepersonen
Neue Tagespflegepersonen gewinnen, Ausstieg verhindern: Die
Festanstellung von Tagespflegepersonen fördert die Nachhaltigkeit in der
Kindertagespflege durch Planungssicherheit für Eltern,
Tagespflegepersonen und Jugendämter. Das neue Bundesprogramm gewährt
Zuschüsse zu den Personalausgaben bei der Schaffung von
Betreuungsplätzen im Rahmen der Festanstellung von Tagespflegepersonen.
Hierzu werden in einem ersten Schritt ab August 2012 bis Ende 2014
Fördermittel in Höhe von 10 Mio. Euro aus dem Europäischen Sozialfonds
(ESF) und aus Bundesmitteln über das Bundesministerium für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zur Verfügung gestellt.

2. Stärkung der Kindertagespflege
Die strukturellen Rahmenbedingungen der Kindertagespflege verbessern,
Standards für die Mindestqualifizierung bundesweit implementieren, die
Anschlussfähigkeit des Berufsbildes fördern, Beratung gewährleisten: Das
sind die Ziele des Aktionsprogramms Kindertagespflege, das fortgeführt
und modifiziert wird. Schwerpunkt ist dabei die Verankerung der
Standards des neuen kompetenzorientierten Qualifizierungshandbuchs des
Deutschen Jugendinstituts (DJI) ab 2014 und die Verstärkung der
berufsbegleitenden Weiterbildung zur Erzieherin beziehungsweise zum
Erzieher, um die Attraktivität und Anschlussfähigkeit der
Kindertagespflege zu erhöhen. Begleitend erarbeitet eine
Bund-Länder-Arbeitsgruppe konkrete Vorschläge zur Verbesserung der
rechtlichen Rahmenbedingungen der Kindertagespflege (insbesondere
sozialversicherungsrechtliche Fragen, zum Beispiel
Krankenversicherung).

3. Gewinnung von Fachpersonal
Zusätzliche Fachkräfte gewinnen und qualifizieren,
Ausbildungskapazitäten steigern, die Fachkräfte besser vergüten,
Arbeitsbedingungen verbessern: Eine Arbeitsgruppe des Bundes, der Länder
und der Kommunalen Spitzenverbände soll unter Beteiligung von
Gewerkschaften, Berufsverbänden, Fachschulverbänden, der
Bundesarbeitsgemeinschaft der freien Wohlfahrtspflege und der
Bundesagentur für Arbeit Vorschläge erarbeiten, wie der Fachkräftebedarf
in der Kindertagesbetreuung weiter gesichert werden kann. Begleitend
wird eine gemeinsame Kampagne für den Beruf der Erzieherin/des Erziehers
in Tageseinrichtungen werben.

4. Ausbau betrieblicher Kinderbetreuung
Betreuungsplätze dort schaffen, wo die Vereinbarkeit von Familie und
Beruf in Frage steht: Hierzu wird das Programm "Betrieblich unterstützte
Kinderbetreuung (BUK)" weiterentwickelt. Neben Privatunternehmen und
Behörden sollen auch Initiativen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern
und zivilgesellschaftliche Initiativen in den Blick genommen werden.
Beiderseitiger Standortvorteil: Unternehmen gewinnen und binden Personal
und ermöglichen einen reibungslosen Wiedereinstieg, Kommunen erhöhen
ihre Betreuungskapazitäten zielgenau und bedarfsgerecht. Interessierte
erhalten eine auf ihre spezifische Situation zugeschnittene Beratung zu
Organisationsformen und fachlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen
Rahmenbedingungen.

5. Ausschöpfung von Betreuungs-Potentialen
Freie Kapazitäten bei Kitaplätzen und beim Fachkräfteeinsatz ermitteln
und für den Ausbau nutzen: Hierzu helfen die Prozessbegleiter der
lokalen Initiativen des Programms "Anschwung für frühe Chancen" (Ziel:
600 Initiativen bis 2014) bei der detaillierten Bedarfsermittlung vor
Ort und der Entwicklung einer passgenauen Lösung zum tatsächlich
nachgefragten zeitlichen Umfang der Betreuung. Oft liegt dieser Bedarf
unterhalb der Ganztagsbetreuung, so dass sich vor Ort teilweise
erhebliche Potenziale für ein bedarfsgerechtes Angebot ergeben.

6. Qualitätscheck
Ausbau- und Betreuungshürden erkennen, beseitigen und Betreuungsqualität
stärken: Bürokratische Standards in spezifischen Bereichen, deren Sinn
und Zweck aus Kindeswohlsicht nicht erkennbar sind, werden modifiziert.
Das Qualitätscheck-Verfahren orientiert sich an Artikel 3 der
UN-Kinderrechtekonvention, der das Wohl des Kindes und einen
kindeszentrierten Blick als zentralen, vorrangig zu berücksichtigenden
Gesichtspunkt allen staatlichen Handelns benennt. Ausbau- und
Betreuungshindernisse sollen so kurzfristig überwunden werden, ohne dass
die Qualität der Betreuung eingeschränkt wird.

7. Zinsgünstige KfW-Kredite
Finanzielle Hürden beim Ausbau vor Ort beseitigen: Viele Gemeinden -
gehäuft in den Bundesländern mit dem höchsten Ausbaubedarf - und Träger
haben Probleme, die für Ausbau und Betrieb einer bedarfsgerechten
örtlichen Kinderbetreuung notwendigen Ausgaben zu stemmen. Hier greifen
KfW-Kredite im Umfang von insgesamt 350 Mio. Euro für Kommunen und
Träger, die der Bund durch einen Zinszuschuss unterstützt.

8. Ausschöpfung finanzieller Spielräume
Effizienten und zweckgerichteten Mitteleinsatz prüfen, Hindernisse bei
Mittelabfluss und Weiterreichung identifizieren, nicht genutzte Mittel
umverteilen: Bund und Länder unterstützen sich hier gegenseitig und
erfassen frühzeitig nicht benötigte Bundesmittel, die entsprechend der
Verwaltungsvereinbarung Anfang 2013 umverteilt werden. Gemeinsames Ziel
ist es, alle Mittel zweckgerichtet für den Ausbau U3 einzusetzen und
keine Ausgabenreste entstehen zu lassen.

9. Qualitätsgesetz
Vertrauen der Eltern in die Qualität der Betreuung stärken,
Verlässlichkeit für Fachkräfte und Jugendämter steigern, Kindeswohl
fördern, Chancengerechtigkeit gewährleisten: Bildung braucht, gerade
unter föderalen Bedingungen, verlässliche Qualitätsstandards. Bis zum
Jahr 2020 sollen wissenschaftlich fundierte qualitative Mindeststandards
bundesweit erreicht sein. Durch ein Qualitätsgesetz soll ein
"Rahmen-Bildungsplan" mit bundesweiter Gültigkeit geschaffen werden, der
den Förderauftrag mit Mindeststandards konkretisiert und den
Bildungsplänen der Länder trotzdem noch Spielraum für landesspezifische
Gestaltung überlässt. Gleichzeitig werden die Empfehlungen der
Bund-Länder-Arbeitsgruppe zu Rechtsfragen der Kindertagespflege
umgesetzt.

10. Internationale Zusammenarbeit

Gegenseitiges Verständnis, internationale Vergleiche, Austausch guter
Praxis fördern und internationale Empfehlungen zur Qualität entwickeln:
Deutschland verstärkt sein Engagement in den Gremien von OECD und
EU-Kommission und beteiligt sich aktiv an vergleichenden Studien und der
Entwicklung von internationalen Qualitätsrahmen. Bund und Länder
vereinbaren eine enge Zusammenarbeit. Beide unterstützen und fördern die
nationale Forschung und bringen sie aktiv in die europäische und
internationale Zusammenarbeit ein. Das Bundesfamilienministerium richtet
ein Internationales Büro ein, das die Vertretung Deutschlands auf
internationaler Ebene unterstützt und wissenschaftlich begleitet.