Familienangehörige selbst pflegen? Für Einige ist es eine Option, für Andere nicht. Der Ruf nach verbesserten Rahmenbedingungen in der Pflege, die es beiden Seiten erleichtern, wird immer lauter. So hat die CDU-Landtagsfraktion das Thema „Pflege“ zu einem der Hauptschwerpunkte dieser Legislaturperiode gemacht, denn auch Zahlen in Niedersachsen zeigen auf, dass die Zahl der Pflegebedürftigen von 1999 nach 2010 um 22,4 % gestiegen ist.
Die Landtagsabgeordnete Heidemarie Mundlos geht in ihrer Rede sehr einfühlsam auf die Herausforderungen für Pflegekräfte und Pflegebedürftige ein, spricht Lösungsstrategien an und hebt bereits sichtbare Erfolge in der Pflegepolitik hervor.
Lesen Sie im Folgenden die Rede von Heidemarie Mundlos anlässlich der NEVAP-Jahrestagung am 7. Juni 2012 in Hannover im Wortlaut:
Sehr geehrte Damen und Herren,
für die Einladung zur Jahrestagung des NEVAP bedanke ich mich sehr herzlich.
Wir alle kennen die Herausforderungen, die uns in den nächsten Jahren und Jahrzehnten durch den demografischen Wandel bevorstehen werden. Dies gilt insbesondere für den Bereich der Pflege. Denn die Anzahl der älteren Menschen in der Gesellschaft wird zunehmen, während andererseits immer weniger Kinder auf die Welt kommen. In Niedersachsen ist die Zahl der Pflegebedürftigen von 1999 nach 2010 um 22,4 % gestiegen, wobei 2/3 dieser Menschen zu Hause gepflegt werden. Auch der Bedarf an gut qualifizierten Pflegekräften wird daher in den kommenden Jahren weiter steigen. Derzeit sind bereits knapp eine Million Menschen in der Pflegebranche tätig. Bis zum Jahr 2020 benötigen die Heime und ambulanten Dienste rund 170.000 Beschäftigte mehr, davon 75.000 ausgebildete Fachkräfte. Das Berufsfeld steht also vor großen Herausforderungen. Meine besondere Anerkennung gilt daher denjenigen, die in den Pflegeberufen unter oft schwierigen Bedingungen eine hervorragende, menschlich unersetzbare und anstrengende Arbeit leisten.
Wir stehen damit vor großen Herausforderungen, denn Pflegekräfte und Pflegebedürftige haben gleichermaßen ein Recht auf gute Rahmenbedingungen. Deshalb war und ist es nur folgerichtig, dass die CDU-Landtagsfraktion das Thema „Pflege“ zu einem der Hauptschwerpunkte in dieser Legislaturperiode gemacht hat. Die Gewährleistung und Weiterentwicklung optimaler Rahmenbedingungen in der Pflege ist ein wichtiges Ziel unserer Sozialpolitik.
Ich möchte Ihnen an dieser Stelle anhand einiger Beispiele aufzeigen, was wir gemacht haben:
- Zunächst nenne ich das im letzten Jahr verabschiedete Heimgesetz. Es ist ein wichtiger Baustein für moderne Pflege, denn das Bild vom Alter hat sich geändert. Auch bei Pflegebedürftigkeit bzw. bei Behinderungen wollen die Menschen ein weitgehend selbstständiges und eigenverantwortliches Leben führen. Sie wünschen sich, in ihrer gewohnten Umgebung alt zu werden. Deshalb gewinnen ambulant betreute Wohnformen und integriertes Wohnen zunehmend an Bedeutung. Wir haben daher im Heimgesetz die Voraussetzungen geschaffen, um alternative Wohn- und Betreuungsformen leichter erproben zu können. Gleichzeitig trägt das Gesetz zum Bürokratieabbau bei, da Anzeigepflichten reduziert wurden.
- Weiterhin möchte ich auf die aktuelle parlamentarische Initiative der CDU-Landtagsfraktion zu den Herausforderungen und Chancen in der Pflege, die wir im Februar 2012 im Landtag beschlossen haben, hinweisen. Ein Schwerpunkt unseres Antrags ist die Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Nachwuchsgewinnung. Sei es durch die Anerkennung von im Ausland erworbenen Bildungsabschlüssen, die Erleichterung der Nachqualifizierung, auch von Hilfskräften im Bereich der Pflege oder durch Umschulungen und Fortbildungsmöglichkeiten. Ferner setzen wir uns mit dem Antrag für die Weiterentwicklung der kultursensiblen Pflege ein. Denn auch die in Deutschland lebenden Migranten werden zunehmend älter. Wir wollen daher verstärkt professionell Pflegende mit entsprechendem kulturellem Verständnis gewinnen.
- Ganz besonders hervorzuheben, ist das Engagement der Sozialministerin Aygül Özkan im Pflegebereich. Ich nenne hier insbesondere den „Ideenwettbewerb Pflege“, die Nachwuchsinitiative und den im November 2011 geschlossenen Pflegepakt. Mit dem Pflegepakt ist es Ministerin Özkan gelungen, eine in Deutschland herausragende Einigung auf breitester Basis mit allen im Bereich der Pflege beteiligten Akteuren zu erzielen. In diesem Rahmen hat die Landesregierung u.a. die Schulgeldbezuschussung für Altenpflegeschüler auf bis zu 160 Euro monatlich erhöht. Damit werden 80 % aller Altenpflegeschüler in Niedersachsen faktisch von der Schulgeldzahlung befreit. Bereits im Jahr 2010 haben wir mit 5636 Auszubildenden einen Anstieg um mehr als 20 % im Vergleich zum Jahr 2008 und damit einen neuen Höchststand erreicht. Dies ist ein großer Erfolg, den wir fortsetzen und ausbauen wollen. Ferner übernimmt Niedersachsen seit Jahren als erstes Bundesland die Ausbildungskosten für Umschüler im 3. Ausbildungsjahr. Daran wollen wir ebenfalls festhalten.
Selbstverständlich gehört auch die Verbesserung in der betrieblichen Gesundheitsförderung zugunsten der in der Pflege Tätigen dazu. Hier darf ich einmal die AOK loben, weil sie ein Modellprojekt mit einem Bonusprogramm fahren wird.
- Ein weiterer Punkt, den die Partner des Pflegepakts klargestellt haben war, dass Tarifgehälter bei Pflegesatzverhandlungen zu berücksichtigen sind. Damit wurden diejenigen, die sich auf einem Niedrigpflegesatzniveau befinden bzw. die in einer Region sind, wo die Pflegesätze unter dem Durchschnitt liegen, in die Pflegesatzverhandlungen einsteigen sollen. Dort, wo es passiert, nämlich z. B. im Raum Oldenburg, ist bei den Pflegesatzverhandlungen, die geführt werden, eine durchschnittliche Steigerung der Pflegesätze von mehr als 5 % zu verzeichnen.
- Ein entscheidender Gesichtspunkt beim Thema „Pflege“ ist natürlich die Anerkennung der Arbeit der Pflegekräfte in der Gesellschaft. Um den jungen Menschen die sehr guten Perspektiven in den Altenpflegeberufen aufzuzeigen, hat die Nds. Landesregierung aktuell die Aktion „Mensch Alter – du bist meine Zukunft“ gestartet. Denn fest steht: eine abgeschlossene Ausbildung bietet den Absolventinnen und Absolventen die Sicherheit, nach der Ausbildung auch übernommen zu werden und somit gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
- Besonders freue ich mich daher auch über den dualen Studiengang „Pflege“, der seit dem Wintersemester 2011/ 12 an der Hochschule Osnabrück angeboten wird. Hier findet die enge Verzahnung zwischen Studium und Ausbildung statt. Die Doppelqualifikation von Ausbildungsabschluss und Bachelor gibt den Absolventen besonders gute Beschäftigungsaussichten und zielt damit auch Potenziale für Führungskräfte im Bereich der Pflege ausgeschöpft werden können. Und ganz aktuell nenne ich die Gründung der „Stiftung Zukunft der Altenpflegeausbildung. In diese Stiftung werden rund 10 Millionen Euro fließen, um Projekte zur Nachwuchsgewinnung und ‑förderung zu unterstützen. Damit wird eine langfristige Finanzierung der Nachwuchsgewinnung in Niedersachsen gewährleistet.
Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie sehen: Es gibt in Niedersachsen bereits viele kreative und innovative Maßnahmen im Bereich der Pflegepolitik. Allerdings ist das Thema „Pflege“ ein dynamischer Prozess, der stetigen Veränderungen unterliegt und kontinuierlich weiterentwickelt werden muss. Gern lade ich Sie zum Dialog über die Rahmenbedingungen der Pflege in Niedersachsen ein. Denn letztendlich kommt es bei allen Überlegungen auf eines an: Der Mensch muss im Mittelpunkt stehen! Und dabei ist wichtig dass Politik und alle anderen Beteiligten den Weg gemeinsam beschreiten.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!