Heidemarie Mundlos

Sterbekultur gehört zur Lebenskultur

Veranstaltung zur Frage „Wie kann eine palliative Versorgung in Braunschweig aussehen?“ gab Impulse für die Zukunft.

Wenn die Gesellschaft in ihrer Lebenskultur eine Sterbekultur zulässt und diese mitgestaltet, dann können wir unsere Zukunft so gestalten, dass jeder bei Bedarf die Möglichkeit einer palliativen Versorgung am Lebensende erhält....
Dies ist das Resümee am Ende der Veranstaltung „Unterstützung von schwerkranken Menschen – Wie kann eine palliative Versorgung in Braunschweig aussehen?“, zu der der Verein Hospizarbeit Braunschweig e.V., das Senioren- und Pflegezentrum Bethanien des Marienstiftes sowie die CDU Braunschweig eingeladen hatten. Ulrich Kreuzberg, Koordinator und Geschäftsführer Hospizarbeit Braunschweig e.V., gab zu Beginn der Veranstaltung einen Überblick über das derzeitige palliative Versorgungsnetzwerk in Braunschweig. Dies sei zwar schon groß, aber weise noch Lücken auf. Eine der großen Versorgungslücken sei dem Personalschlüssel in diesem Bereich geschuldet, so Kreuzberg. Menschen, die Angehörige haben, die sich kümmern, seien häufig besser versorgt. Zudem bedeute eine Versorgung schwerstkranker Menschen nicht nur Schmerzen zu lindern. Auch eine seelsorgerliche Begleitung und spirituelle Fragen am Lebensende seien wichtig für die kranken Menschen und deren Angehörige. Kreuzberg ist zudem der Meinung, dass eine palliative Versorgung nicht nach dem Sterben aufhöre, sondern sich eine Trauerbegleitung der Angehörigen anschließe. Für ihn stellen sich die Fragen: Was ist medizinisch und pflegerisch zu leisten? Und wo können und müssen wir uns als Gesellschaft engagieren? Wie können wir Fachliches mit Bürgerengagement verbinden? Dr. Rainer Prönneke, Chefarzt der Medizinischen Klinik im Krankenhaus Marienstift und Palliativmediziner, informierte, dass bisher 5 Prozent der schwerstkranken Menschen in einem Hospiz oder auf einer Palliativstation sterben. Was aber sei mit den anderen 95 Prozent? Diese sterben in Pflegeheimen, Krankenhäusern oder in der häuslichen Umgebung. Hier müsse man ansetzen und die palliative Versorgung in den Bereichen weiter ausbauen. Es sei für schwerkranke Menschen wichtig, so Prönneke, wenn sie schon frühzeitig eine Linderung der Schmerzen erhalten, beispielsweise nach der Diagnose einer Tumorerkrankung mit Streuherden. Von jedem einzelnen in unserer Gesellschaft hänge es ab, wie wir die Sterbekultur beeinflussen, sie gehöre zur Lebenskultur. Ein Vorantreiben des palliativen Netzwerkausbaus stütze sich auf drei Säulen, so Prönneke: Erstens müsse die Politik regelmäßig mit am runden Tisch des Netzwerks sitzen und den Ausbau der palliativen Versorgung als eine Aufgabe übernehmen. Zweitens, so seine Idee, müsse jedes Pflegeheim in Braunschweig einen Koordinator für palliative Pflege stellen. Diese Koordinatoren, so seine Vorstellung, tauschen sich aus und erarbeiten miteinander einen Standard in der palliativen Pflege für Senioreneinrichtungen, den es bisher so nicht gibt. Und zu guter Letzt, so der Mediziner, solle der Wunsch nach palliativer Versorgung fest in der Patientenverfügung verankert werden. Ulrich Zerreßen, Geschäftsführer und Einrichtungsleiter des Senioren- und Pflegezentrums Bethanien des Marienstiftes, bestätigte die Aussagen seiner Vorredner. Die palliative Versorgung schwerkranker und älterer Menschen sei ein gesellschaftspolitisches Thema. Dieser Herausforderung müssen sich alle stellen, aber die passenden Rahmenbedingungen dafür müssen von der Politik geschaffen werden: „Wenn man nehmen will, muss man auch geben: Die Pflege muss entsprechend finanziert werden. Die Pflegekräfte arbeiten momentan am Limit und darüber hinaus.“ Die Erfahrungen zeigen, dass es eine „Warteschleife“ für die Versorgung in einem Hospiz, auf einer Palliativstation, durch ein SAPV-Team oder durch ambulante Hospizdienste gibt. Hier müsse die Politik unbedingt etwas tun, um Voraussetzungen zu schaffen, auf denen man aufbauen kann. Nicht zuletzt aufgrund des demografischen Wandels sei die Erhöhung palliativer Plätze in Senioreneinrichtungen und die Versorgung dieser unumgänglich. Text und Fotos: Katharina Heinemeier, Unternehmenskommunikation Marienstift Braunschweig